Brief eines Schulfreunds


Die nachfolgenden bewegenden Worte des weit entfernt lebenden Rudolf Pölcher verlas seine Nichte Amadou Seitz, eine Augsburgerin, während der Verlegung des Stolpersteins für WALTER MAX GROSSBERG am 12. Oktober 2022. Rudolf Pölcher hatte den Stolperstein initiiert und die Patenschaft übernommen.

Ob es sinnvoll ist Worte von mir anzufügen, bezweifle ich. Walter und ich waren ja Kinder und außer in der Schule hatten wir kaum Kontakt.

Wir sind 1934 mit 25 anderen Kindern an der evangelischen Volkschule an der Spichererschule in Pfersee eingeschult worden. Wir hatten in der ersten und zweiten Klasse das Glück eine liebevolle Lehrerin – Martha Weidener – als Klassenlehrerin zu bekommen, sie war als Lehrerin einmalig. Sie behandelte alle Kinder gleich, das Wort „Jude“ für Walter fiel nie, er war einer von uns.

Er war beliebt, nicht nur weil er immer mal die begehrten Zigarettenbilder aus dem Tabaksladen seiner Mutter mitbrachte. Ab und zu gingen wir nach Schulschluss gemeinsam nach Hause und so bin ich auch in das kleine Geschäft seiner Mutter gekommen. Hinter dem Tresen stand stets eine Frau. Ob es seine Mutter oder seine ältere Schwester war, weiß ich nicht

In der dritten Klasse wurde das Klima rauer. Unser Lehrer wurde der Schulleiter, ein überzeugter Nazi. In der ersten Stunde zeigte er sofort den „Tatzenstecken“, von dem er reichlich Gebrauch machte, bis zur: Prügelei.

Obwohl wir eine evangelische Schule waren, wurde jeder nach seiner Religion befragt. Und dann hörte ich zum ersten Mal das Wort „Israelit“. Damit wollte der Lehrer wohl Walter ausgrenzen, was aber nicht gelang.

Nach der dritten Klasse kam ich 1936 auf das Annagymnasium. Die Kontakte zur alten Schule brachen ab. Walter blieb aber bis heute für mich unvergesslich.

Hervorhebungen durch die Redaktion